DEUTSCHES ARCHIV
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PETER HÜBNER • PREIS DER FREIHEIT – DAS PROGRAMMIERTE VIERTE REICH
Die antidemokratische politische Praxis in Deutschland
Teil 3   •   VERTRETER DES VOLKES – Die Goldene Partei Deutschlands
Die Tradition der beiden ökumenischen Supermächte


Und so er­hiel­ten wir doch zu­min­dest vom PRÄ­SI­DEN­TEN DES DEUT­SCHEN BUN­DES­TA­GES am 19. Ok­to­ber fol­gen­den auf­schluß­rei­chen Brief, des­sen In­halt wir hier im fol­gen­den ab­dru­cken:


Brief des PRÄSIDENTEN DES DEUTSCHEN BUNDESTAGES an die DEUTSCHE KULTURSTIFTUNG
Herr Bun­des­tags­prä­si­dent Dr. Barzel hat Ih­ren of­fe­nen Brief vom 12. Juni 1984 zur Kennt­nis ge­nom­men. Al­ler­dings teilt er nicht die von Ih­nen ver­tre­te­nen Auf­fas­sun­gen.


Un­ser so­ge­nann­ter KARLSBRIEF war ja an die PRÄ­SI­DEN­TEN DES BUN­DES­TA­GES UND DES BUN­DES­RA­TES ge­rich­tet, da sie, weil es um das Amt des BUN­DES­PRÄ­SI­DEN­TEN ging, ge­setz­lich als ein­zi­ge in der Sa­che zu­stän­dig wa­ren.

Be­zeich­nen­der­wei­se muß­te ganz kur­ze Zeit spä­ter der hier­für zu­stän­di­ge Bun­des­tags­prä­si­dent Rainer Barzel im Rah­men ei­ner Be­stech­lich­keits­af­fä­re in Mil­lio­nen­hö­he sein amt­li­ches Hand­tuch wer­fen.
Wie ich ge­hört ha­be, ist er ehe­ma­li­ger Je­sui­ten­schü­ler.
Dies wür­de sich in die Ge­schich­te gut ein­fü­gen.

In der aus­führ­li­chen Be­schrei­bung die­ser Sa­che ging es mir nur dar­um auf­zu­zei­gen, wie in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land ein Schrift­stel­ler mit de­mo­kra­ti­schen Am­bi­tio­nen mit Hil­fe viel­fäl­ti­ger Amts­ge­walt durch die bei­den gro­ßen bun­des­deut­schen Su­per­mäch­te aus­ge­schal­tet wird, wenn er sei­ne Mei­nung öf­fent­lich mei­nungs­bil­dend ver­kün­det – wo­bei ihm selbst ein sol­cher Ver­such auch nur mit Hil­fe ei­ner ei­ge­nen frei­en und un­ab­hän­gi­gen Kör­per­schaft, mit Hil­fe ei­ge­ner Freun­de und so­gar mit Hil­fe ei­ner ei­ge­nen Fo­to­satz­an­la­ge, ei­ner ei­ge­nen Re­pro­ein­rich­tung und ei­ner ei­ge­nen Dru­cke­rei mög­lich ist und wo­bei er noch froh sein kann, wenn er ir­gend­wie auf ge­hei­men We­gen an das hier­zu not­wen­di­ge Pa­pier her­an­kommt.

Und wenn ihm dies al­les ein ein­zi­ges Mal ge­lingt, dann kann er im wei­te­ren Ver­lauf sei­ner Tä­tig­keit da­von aus­ge­hen, daß er be­hörd­lich de fac­to über di­ver­se an­ge­streng­te staats­an­walt­schaft­li­che Er­mitt­lungs­ver­fah­ren in­klu­si­ve der da­mit ver­bun­de­nen kri­mi­nal­po­li­zei­li­chen Maß­nah­men und amt­li­chen Mit­tei­lun­gen an die Pres­se: zur ge­flis­sent­li­chen Ver­öf­fent­lich­ung und öf­fent­li­chen Kri­mi­na­li­sie­rung, vo­gel­frei ist – daß zu je­der Zeit mit Po­li­zei­ge­walt ge­walt­sam in sein Haus ein­ge­drun­gen wer­den kann, daß sei­ne Ar­beits­un­ter­la­gen zu je­der Zeit be­schlag­nahmt wer­den kön­nen, daß er mit die­ser Art gro­ßer Ak­tio­nen in sei­ner nä­he­ren Um­ge­bung, bei sei­nen Nach­barn und dar­über hin­aus auch im gan­zen Land über die Me­dien ge­zielt amt­lich ver­un­glimpft wird, daß er je­der­zeit mit sei­ner Fest­nah­me rech­nen kann, und daß er da­bei un­er­hört auf der Hut sein muß, weil ihm in die­ser Rich­tung un­schein­bar wir­ken­de, aber schlag­kräf­ti­ge amt­li­che Fal­len ge­stellt wer­den.

Dies ist das Los ei­nes in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land le­ben­den Schrift­stel­lers, der sich ernst­haft und ohne sich mit ir­gend­ei­ner kor­rup­ten Grup­pe ir­gend­wie zu li­ie­ren, für die prak­ti­sche Ver­wirk­li­chung der Grund­men­schen­rech­te ein­setzt – wäh­rend sich die ge­kauf­ten Amts- und Wür­den­trä­ger nicht schä­men, gleich­zei­tig öf­fent­lich durch gro­ße of­fi­zi­el­le Schau­auf­trit­te mit Frei­heits­kämp­fern an­de­rer Na­tio­nen das Im­age ei­ner de­mo­kra­ti­schen Ge­sin­nung vor­zu­täu­schen.

Un­ter den be­schrie­be­nen Um­stän­den in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land kann ei­ne de­mo­kra­ti­sche Be­le­bung nur dann an­ge­strengt wer­den, wenn dies durch ei­nen gan­zen Freun­des­kreis er­folgt, der in die­ser Sa­che ganz fest zu­sam­men­steht – was man dann amt­lich mit „kri­mi­nel­ler Ju­gend­sek­te im Um­feld des Ter­ro­ris­mus“ be­zeich­net und mit Hil­fe viel­fäl­ti­ger Er­mitt­lungs­ver­fah­ren über die Re­gie­rungs­be­hör­den, über die Ju­stiz und über die Me­dien ge­gen­über der brei­ten Öf­fent­lich­keit „be­grün­det“ und die­se da­bei zu­sätz­lich mit Hil­fe der Groß­kir­chen und ih­rer Hun­dert­tau­sen­de Agen­ten und Spi­o­ne täuscht und ver­hetzt.

Die hier be­schrie­be­ne Ak­tion stellt ja nur ei­ne von viel­fäl­ti­gen dar, de­ren we­sent­li­che an­ti­de­mo­kra­ti­sche Merk­ma­le ich in die­sem Buch her­aus­ar­bei­ten möch­te.
Die­se Ak­tio­nen be­wei­sen, daß es in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land nicht nur kei­ne De­mo­kra­tie gibt, son­dern daß hier die Me­cha­nis­men der Dik­ta­tur wie schon zur Zeit des Drit­ten Rei­ches im Zwie­licht zwi­schen Öf­fent­li­chem und Ver­bor­ge­nem wei­ter blü­hen – nur, daß sich die­se Dik­ta­tur dies­mal un­ter dem Druck von Zeit und Um­stän­den zu­min­dest so­weit mo­der­ni­siert hat, daß sie jetzt mit Hil­fe ei­ner viel­fäl­ti­gen schein­de­mo­kra­ti­schen Pracht über Schein-Ge­fech­te ver­meint­lich ri­va­li­sie­ren­der Par­tei­en „der Mit­te“, über Schein-Kon­kur­renz­be­trie­be in der Wirt­schaft, Schein-Stand­punk­te bei den Me­dien oder auch Schein-Ge­rech­tig­keit bei der Ju­stiz aus­ge­übt wird, in Wirk­lich­keit aber über gut ge­tarn­te Mo­no­po­le ab­ge­si­chert ist.

Der Un­ter­schied zur ehe­ma­li­gen sow­je­tisch be­setz­ten Zone liegt nur dar­in, daß man hier ein per­fek­tes Sys­tem der Wah­rung des de­mo­kra­ti­schen Scheins her­aus­ge­bil­det hat, wel­ches von schein­ba­rer po­li­ti­scher Frei­heit über schein­ba­re freie Markt­wirt­schaft und die schein­ba­re Mei­nungs­frei­heit bis zur schein­ba­ren Ge­rech­tig­keit reicht – wäh­rend die da­ma­li­ge sow­je­tisch be­setz­te Zone ei­ne sol­che Schein­hei­lig­keit of­fen­bar im An­flug von ech­ter Ehr­lich­keit noch als Heu­che­lei an­ge­se­hen hat­te und so dann die maß­ge­ben­de Rol­le der SED ver­fas­sungs­recht­lich ver­an­kert hat­te.

Aber so­we­nig, wie zwei oder drei ver­schie­de­ne Par­tei­na­men noch nicht wirk­lich ein Nach­weis für die Selb­stän­dig­keit die­ser Par­tei­en sind – und so­we­nig, wie tau­sen­de ver­schie­de­ne Fir­men­na­men und spe­zi­ell auch Na­men von Ban­ken noch lan­ge nicht Be­weis für die Selb­stän­dig­keit die­ser Un­ter­neh­men sind – und so­we­nig, wie ei­ne schein­ba­re Ge­wal­ten­tei­lung von Le­gis­la­ti­ve, Exe­ku­ti­ve und Ju­di­ka­ti­ve: von ge­setz­ge­ben­der, von ge­setz­aus­füh­ren­der und von recht­spre­chen­der Ge­walt, auf­grund ih­rer ver­schie­de­nen Na­men so­wie ih­rer ver­schie­de­nen Lo­ka­li­tä­ten noch kei­nes­wegs de­ren Ei­gen­stän­dig­keit be­weist – und so­we­nig, wie das viel­fäl­ti­ge sinn­lo­se Ge­plap­per und Ge­schrei­be in den Me­dien auf­grund der Far­ben­pracht des un­ter­halt­sa­men Spek­trums tat­säch­li­che Mei­nungs­frei­heit be­weist – so­we­nig läßt sich be­wei­sen, daß die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land ei­ne De­mo­kra­tie ist.

Die­ses Buch so­wie die da­mit ver­bun­de­nen Do­ku­men­te ver­mö­gen aber sehr wohl das Ge­gen­teil zu be­wei­sen und Me­tho­den auf­zu­zei­gen, wie ein ech­ter De­mo­kra­ti­sie­rungs­pro­zeß in der Pra­xis aus­se­hen könn­te und wo man da­bei mit wel­chen Wi­der­stän­den bzw. mit wel­cher Kor­rup­tion zu rech­nen hat.







Mit freundlicher Genehmigung des HESSISCHEN LANBOTEN
© 1998-