DEUTSCHES ARCHIV
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PETER HÜBNER • PREIS DER FREIHEIT – DAS PROGRAMMIERTE VIERTE REICH
Die antidemokratische politische Praxis in Deutschland
Teil 3   •   VERTRETER DES VOLKES – Die Goldene Partei Deutschlands
Der achte große ökumenische Schlag der Diktatur
gegen die bürgerlichen Demokratisierungsbestrebungen
Die amtliche Verhinderung
des Griffs nach den Drahtziehern
Knapp drei Mo­na­te spä­ter er­hielt un­ser An­walts­bü­ro am 17. 3. 1987 von der Staats­an­walt­schaft Hei­del­berg den Be­scheid, daß die­se am 8.3. in dem Er­mitt­lungs­ver­fah­ren ge­gen die ge­nann­te Frau P. we­gen fal­scher Ver­däch­ti­gun­gen, übler Nach­re­de und Ver­leum­dung die Ein­stel­lung ver­fügt hat­te:


EINSTELLUNGSVERFÜGUNG
der STAATSANWALTSCHAFT
BEI DEM LANDGERICHT HEIDELBERG
STAATSANWALTSCHAFT HEIDELBERG
Postfach 105308
6900 Heidelberg 1
08. 03. 1987

Az.: 41 Js 1004/87

Frau
Rechts­an­wäl­tin

Betr.:
Ermittlungsverfahren gegen Frau Renate P.
wegen falscher Verdächtigung u.a.

Anbei übersende ich die Einstellungsverfügung vom 08.03.1987.

gez. Heister, Staatsanwalt
Staatsanwaltschaft
bei dem Landgericht
-Az. 41 Js 1004/87-


Heidelberg, den 8. 3. 1987

Vfg.
Das Verfahren wird gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

G r ü n d e:

Die Be­schul­dig­te Renate P., geb...... in....., wohn­haft..... er­schien am 1.9.1986 auf der Dienst­stel­le des De­zer­na­tes 6 der Po­li­zeidi­rek­tion Hei­del­berg und mach­te dort An­ga­ben zum Ver­bleib ih­rer Toch­ter Ari­a­ne P.

Die­se wur­de seit dem 13. 3. 1986 ver­mißt und erst am 28. 11. 1986 von Jä­gern wäh­rend ei­ner Treib­jagd, ca. 2 1/2 Ki­lo­me­ter vom Wohn­ort ent­fernt, in ei­ner Tan­nen­scho­nung tot auf­ge­fun­den.

Ari­a­ne P. war das ein­zi­ge Kind der be­schul­dig­ten Wit­we.

In die­ser Ver­miß­ten­sa­che gab die Be­schul­dig­te ge­gen­über der Kri­mi­nal­po­li­zei am 1. 9. 1986 u.a. an, daß sich ih­re Toch­ter mit Si­cher­heit in der Sek­te „Deut­sche Kul­tur­stif­tung“ auf­hal­te. Nach­dem im Fern­se­hen die Ver­miß­ten­fahn­dung nach ih­rer Toch­ter aus­ge­strahlt wor­den sei, ha­be ein Mann an­ge­ru­fen und mit­ge­teilt, daß er mit ei­ni­ger Si­cher­heit ih­re Toch­ter als Mit­glied ei­ner Sek­te in der Düs­sel­dor­fer In­nen­stadt ge­se­hen ha­be. Sie sol­le dort ir­gend­wel­che Hand­zet­tel aus­ge­teilt ha­ben. Die Fern­seh­fahn­dung sei am 17. 7. 1986 in WDR 3 aus­ge­strahlt wor­den.

Eini­ge Zeit spä­ter ha­be sich noch­mals ein Herr aus dem Ruhr­ge­biet ge­mel­det, der da­mals die Fern­seh­fahn­dung ge­se­hen ha­be und zu­vor sei­nen Ur­laub auf dem Cam­ping-Platz in Alt­neu­dorf bei Hei­del­berg ver­bracht ha­be.
Die­ser Herr sei sich si­cher ge­we­sen, ih­re Toch­ter in Alt­neu­dorf ge­se­hen zu ha­ben.
In der Nä­he des Cam­ping-Plat­zes ha­be sich das Grund­stück ei­ner Sek­te be­fun­den, auf des­sen Ge­län­de er ih­re Toch­ter am 10.8.1986 ge­se­hen ha­ben woll­te.

Die Be­schul­dig­te be­gab sich dar­auf­hin am 27. 8. 1986 nach Alt­neu­dorf und be­ob­ach­te­te dort täg­lich das Ge­län­de der Sek­te „Deut­sche Kul­tur­stif­tung“, auch bis spät in die Nacht hin­ein. Sie gab an, da­bei den Ein­druck ge­won­nen zu ha­ben, daß die jun­gen Mäd­chen dort als „Sk­la­vin­nen“ be­nutzt wer­den, weil sie die­se bei der Ver­rich­tung von al­len mög­li­chen Haus­ar­bei­ten ha­be be­ob­ach­ten kön­nen. Die­se Mäd­chen sei­en auch nie im Gar­ten zu se­hen ge­we­sen und hät­ten auch das Ge­län­de nicht ver­las­sen.

Nach ih­ren ei­ge­nen Wor­ten, mit den Ner­ven völ­lig am En­de zu sein, gab sie fer­ner an, dann auch zwei­mal ih­re Toch­ter Ari­a­ne auf dem Ge­län­de der Sek­te ge­se­hen zu ha­ben. Das ei­ne Mal auf dem Bal­kon, das an­de­re Mal in der Ein­fahrt vor dem Haus, da­bei al­ler­dings nur von hin­ten.

Sie sei sich si­cher ge­we­sen, daß es sich bei­de Ma­le um ih­re Toch­ter ge­han­delt ha­be.

Die Be­schul­dig­te gab schließ­lich an, daß sich Ein­woh­ner aus Alt­neu­dorf dar­über be­schwert hät­ten, daß Sek­ten­mit­glie­der auf ih­rem Ge­län­de ir­gend­wel­che Din­ge ver­brannt hät­ten, die nach „Or­ga­ni­schem“ ge­ro­chen hät­ten. In die­sem Zu­sam­men­hang müs­se man wis­sen, daß die­se Sek­te „In­dien-ori­en­tiert“ sei und in In­dien Lei­chen ver­brannt wür­den.

Die Kri­mi­nal­po­li­zei Hei­del­berg er­wirk­te auf­grund die­ser An­ga­ben ei­nen Durch­su­chungs­be­fehl für das An­we­sen der „Deut­schen Kul­tur­stif­tung“, Adam-Rem­me­le-Str. 3, 6917 Schö­nau-Alt­neu­dorf. Die Durch­su­chung wur­de am 4.9.1986 von der Kri­mi­nal­po­li­zei Hei­del­berg durch­ge­führt; sie führ­te je­doch nicht zum Auf­fin­den der ver­miß­ten Ari­a­ne P.

Der Be­schul­dig­ten wird ein Ver­ge­hen der fal­schen Ver­däch­ti­gung, der üb­le Nach­re­de und der Ver­leum­dung zur Last ge­legt.

Durch ih­re An­ga­ben bei der Kri­mi­nal­po­li­zei Hei­del­berg am 1. 9. 1986 ha­be sie die „Deut­sche Kul­tur­stif­tung“ bei ei­ner Be­hör­de oder ei­nem zur Ent­ge­gen­nah­me von An­zei­ge zu­stän­di­gen Amts­trä­ger wi­der bes­se­ren Wis­sens ei­ner rechts­wid­ri­gen Tat in der Ab­sicht ver­däch­tigt, ein be­hörd­li­ches Ver­fah­ren oder an­de­re be­hörd­li­che Maß­nah­men ge­gen sie her­bei­zu­füh­ren und die Mit­glie­der der „Deut­schen Kul­tur­stif­tung“ in der Eh­re ge­kränkt.

Die Er­mitt­lun­gen ha­ben kei­nen hin­rei­chen­den Tat­ver­dacht er­ge­ben. Der Be­schul­dig­ten konn­te nicht nach­ge­wie­sen wer­den, daß sie wi­der bes­se­ren Wis­sens, in der Ab­sicht, ein be­hörd­li­ches Ver­fah­ren ge­gen die „Deut­sche Kul­tur­stif­tung“ her­bei­zu­füh­ren, die­se An­ga­ben ge­macht hat.

Sie hat glaub­haft dar­ge­legt, daß sie im An­schluß an die Fern­seh­fahn­dung vom 17. 7. 1986 aus zwei ver­schie­de­nen, über­zeu­gen­den Quel­len die In­for­ma­tion er­hal­ten ha­be, daß sich ih­re Toch­ter bei ei­ner „Sek­te“ auf­hal­te.

Nur auf­grund die­ser In­for­ma­tio­nen ha­be sie das An­we­sen der „Deut­schen Kul­tur­stif­tung“ be­ob­ach­tet. Sie hat fer­ner glaub­haft dar­ge­tan, daß sie, zwar mit den Ner­ven völ­lig am En­de, ih­re min­der­jäh­ri­ge Toch­ter zwei­mal auf die­sem Ge­län­de ge­se­hen ha­be.

In­so­weit ist fest­zu­stel­len, daß je­den­falls was den sub­jek­ti­ven Tat­be­stand be­trifft, kein hin­rei­chen­der Tat­ver­dacht ge­ge­ben ist. Die Be­schul­dig­te han­del­te we­der mit dem Vor­satz, ei­nen an­de­ren falsch zu ver­däch­ti­gen, noch übel nach­zu­re­den oder gar zu ver­leum­den.
Die An­ga­ben der Be­schul­dig­ten wa­ren al­lein von der Sor­ge um das Wohl­er­ge­hen und das Wie­der­auf­fin­den ih­rer ein­zi­gen, min­der­jäh­ri­gen Toch­ter be­stimmt.

So­weit der Be­schul­dig­ten ei­ne üble Nach­re­de oder Ver­leum­dung zur Last ge­legt wird, han­del­te sie in Wahr­neh­mung be­rech­tig­ter In­te­res­sen (§ 193 StGB). Sie hat den Grund­satz der In­te­res­sen­ab­wä­gung im Rah­men des § 193 StGB nicht ver­letzt.
Die den An­zei­gen­den tref­fen­de ge­wis­se Prü­fungs­pflicht be­züg­lich der Rich­tig­keit des An­zei­gen­in­halts hat sie ge­wahrt, in­dem sie das Ge­län­de der „Deut­schen Kul­tur­stif­tung“ meh­re­re Ta­ge be­ob­ach­tet hat und sie da­bei ei­ne weib­li­che Per­son ge­se­hen hat, die sie für ih­re Toch­ter ge­hal­ten hat. Da sie von Drit­ten den Hin­weis er­hal­ten hat­te, daß sich ih­re Toch­ter dort auf­hal­te, ist nicht er­sicht­lich, daß sie in­so­weit leicht­fer­tig ge­han­delt hat.

Das Ver­fah­ren war so­mit ein­zu­stel­len.

gez. Heister,
Staatsanwalt


Ende des Zitats







Mit freundlicher Genehmigung des HESSISCHEN LANBOTEN
© 1998-